Aus Albert Camus:"Die Pest" (Straßencafé)

Boggy, (vor 2095 Tagen)

Albert Camus: Die Pest
(Auszug)

Es hat auf der Erde ebensoviele Pestseuchen gegeben wie Kriege. Und doch finden Pest und Krieg die Menschen immer gleich wehrlos. Dr. Rieux stand der Pest ebenso unvorbereitet gegenüber wie unsere Mitbürger, und so muß man sein Zögern verstehen. So muß man auch begreifen, daß er zwischen Besorgnis und Vertrauen hin und her gerissen wurde.

Wenn ein Krieg ausbricht, sagen die Leute: „Er kann nicht lange dauern, es ist zu unsinnig.“ Und ohne Zweifel ist ein Krieg wirklich unsinnig, aber das hindert ihn nicht daran, lange zu dauern.

Dummheit ist immer beharrlich. Das merkte man, wenn man nicht immer mit sich selbst beschäftigt wäre. In dieser Beziehung waren unsere Mitbürger wie alle Leute, sie dachten an sich, oder anders ausgedrückt, sie waren Menschenfreunde: sie glaubten nicht an Heimsuchungen. Weil die Plage das Maß des Menschlichen übersteigt, sagt man sich, sie sei unwirklich, ein böser Traum, der vergehen werde. Aber er vergeht nicht immer, und von bösem Traum zu bösem Traum vergehen die Menschen, und die Menschenfreunde zuerst, weil sie sich nicht vorgesehen haben.


(Die Absätze stammen von mir, der besseren Lesbarkeit im Forum halber; sie sind nicht im Originaltext; Boggy)

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Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

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