E-Pilot: 1 Jahr Erfahrung (Technik)

Michael27 @, Montag, 30.03.2020, 16:59 (vor 1481 Tagen)

Jetzt möchte ich nach all den Corona-Diskussionen mal wieder ein originäres MS-Thema (oder zumindest MS-relevantes Thema) ansprechen.

Ich habe jetzt genau 1 Jahr meinen Alber E-Pilot (https://www.alber.de/de/produkte/zuggeraete/e-pilot/) und möchte von meinen Erfahrungen berichten. Zum einen, um mich mit anderen Nutzern auszutauschen und vielleicht selbst noch Anregungen zu bekommen - zum anderen als differenzierte Kaufempfehlung für potentiell Interessierte.

Für diejenigen, die den E-Pilot nicht kennen: seit etwa 2 Jahren bietet die Fa. Alber mit dem E-Pilot ein elektrisch betriebenes Zuggerät als Vorbau für starre und Falt-Rollstühle an. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt dabei 6, 15 oder 20 km/h - je nach Konfiguration. Die Reichweite des Akkus beträgt (im Sommerhalbjahr) etwa 50 km.

Ich selbst bin nach wie vor kein Rollstuhlfahrer, sondern bewege mich zu Fuß mit 2 Stöcken vorwärts, wenn ich nicht E-Pilot oder mein E-Trike (Elektro-Dreirad) oder Auto fahre. Ich denke, diese Bemerkung ist wichtig, da es einen großen Unterschied macht, ob man als Rollstuhlfahrer sich zusätzlich ein Zuggerät anschafft oder die Kombination Rollstuhl plus Zuggerät als Fortbewegungsmittel alternativ zum Fahrrad sieht. Ein Rollstuhlfahrer findet vielleicht den SMOOV interessanter (https://www.alber.de/de/produkte/aktivantriebe/smoov/), während mir da die Lenkstange fehlt.

Insgesamt kostete in meinem Fall der E-Pilot (ohne Rollstuhl) etwa 5.300 €, von denen etwa 4.500 € meine (private) Krankenversicherung übernahm. Die Mehrkosten für 20 statt 6 km/h Höchstgeschwindigkeit sowie die individuelle TÜV-Abnahme musste ich selbst bezahlen. Zu meiner Ausstattung (Zubehör) gehört insbesondere eine Halterung für meine beiden Walking-Stöcke.

Jetzt zu meinen Erfahrungen:
Vorneweg möchte ich sagen, dass ich bei einer Bewertung mit Schulnoten dem E-Pilot eine 2,5 geben würde: Relativ gut, aber noch einiges Verbesserungs-Potential.

Ich bin 480 km gefahren in dem einen Jahr und hatte 2 Reparatur-Termine meines Sanitätshauses. Zum einen wurde zumindest bei mir ein ganz zähes Öl/Schmierfett für die Verbindung Rollstuhl/Zuggerät verwendet. Ab etwa 5-7° C abwärts ließ sich das abgekoppelte Zuggerät fast nicht mehr ankoppeln. Ein Einfetten mit (auch bei Kälte !) dünnflüssigem Öl im Dezember löste das Problem. Zum anderen ist - in aller Vorsicht gesagt - das verwendete Akku-Modell vermutlich minderwertig. Während bei meinem E-Trike die Reichweite des Akkus selbst bei 0° C nur etwa um gut 10% zurückgeht, tat sie dies beim E-Pilot um sage und schreibe 50%, also auf die Hälfte. Auch beim getauschten Ersatz-Akku war es nicht viel besser (vielleicht etwa um 40%). Dafür schafft der E-Pilot im Sommerhalbjahr in der Ebene und bei glattem Untergrund locker die 50 km Reichweite.

Ansonsten macht es nach wie vor tierisch Spaß, mit 20 km/h herumzufahren. Ich habe gerade vorgestern wieder einen Ausflug mit meiner Frau auf ihrem Fahrrad gemacht - und mich immer schön ihrer Geschwindigkeit angepasst. Eigentlich sind die 20 km/h nur auf Privatgelände erlaubt (15 km/h auf öffentlichen Wegen/Straßen), aber natürlich kontrolliert das niemand. Ab der 15 km/h-Version braucht man ein "Moped"-Versicherungskennzeichen. Das bekommt man total unkompliziert per Online-Bestellung für etwa 30 € pro Jahr. Auch dieses interessiert niemanden, so dass ich immer meinen Rucksack hinten über die Rollstuhl-Griffe hänge (und damit das Versicherungs-Kennzeichen verdecke).

Der Rucksack hat sich als Transportmittel bewährt für kleine und mittlere Einkäufe, Regenjacke, Yoga-/Krankengymnastik-Bekleidung, Papier-Terminkalender, Handy, Geldbeutel, Sonnenbrille usw.

Im Laufe des Jahres waren wir u.a. in Wien, Leipzig und Bad Doberan und haben dort die Städte unsicher gemacht: meine Frau zu Fuß oder mit dem Fahrrad, ich mit dem E-Pilot. Wir haben Fahrrad, Rollstuhl und E-Pilot in unserem VW Touran transportiert - und ich kann Rollstuhl und E-Pilot allein ein- und ausladen. Für diesen Zweck, Städtetouren oder Ausflüge in der Kombination Auto mit E-Pilot gibt es eine glatte 1 !

Die einzige Einschränkung - aber die gibt es überall und damit natürlich auch hier zuhause - besteht darin, dass der E-Pilot mit nassem oder nicht asphaltiertem Untergrund (Kies, Pflastersteine) schlecht klar kommt. Aber das ist nachvollziehbar, da das (eigene) Gewicht natürlich auf den Rollstuhl drückt, der Antrieb jedoch über das Rad des Zuggerätes erfolgt. Immerhin schaffe ich auf trockenem Asphalt eine etwa 100m lange 15%ige Steigung - mit kräftigem Vorbeugen zur Gewichtsverlagerung. Hier wäre eine Kombination von E-Pilot und SMOOV (s.o.) aus meiner Sicht ideal: Vorbau des E-Pilot, aber Antrieb am Rollstuhl. Ich werde diesbezüglich mal mit Alber Kontakt aufnehmen.
Auf alle Fälle empfiehlt es sich, über das Einstellungs-Menü die sog. Traktionshilfe zu aktivieren.

Im Laufe des Jahres habe ich insgesamt 4 verschiedene Fehlercodes auf dem Display zu sehen bekommen. Bis auf einen waren sie immer nachvollziehbar. Z.B. bin ich im letzten August neben meiner Frau auf einem asphaltierten Weg etwa 200 Höhenmeter auf vielleicht 2,5 km Länge mit etwa 4 km/h hergefahren. Nach drei Viertel der Strecke war der Motor so heiß gelaufen, dass ein Fehlercode kam und nichts mehr ging. Nach 1 Minute ging es weiter, nach vielleicht 5 Minuten war die nächste Pause fällig ...

Ein anderes Problem ist, dass inzwischen alle paar Kilometer plötzlich die Geschwindigkeit langsam zurückgeht (kein Antrieb mehr). Man muss den "Gashebel" loslassen und dann wieder neu "Gas" geben (also Strom), und alles ist wieder gut. Außerdem treten seit einer Weile immer wieder mal Fahrgeräusche auf, als würde etwas schleifen. Ich hoffe, dass sich das durch Gabe von Öl am Antrieb im Vorderrad beheben läßt. Denn es schleift nichts mechanisch.

So, jetzt würde ich mich über Fragen und Rückmeldungen freuen.

Michael


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