Umgekehrtes Signifikanz-Beispiel (Allgemeines)

Michael27 @, Mittwoch, 20.04.2022, 11:16 (vor 708 Tagen) @ W.W.

Eine kleine Abrundung zum Thema:

Es gibt auch den Fall, dass eine Behandlung formal nicht signifikant, aber wahrscheinlich wirksam ist. Den hatten wir bei der Phase-3-Studie SPI2 zum hochdosierten Biotin bei progredienten MS-Verläufen.

Dort lag die Wirksamkeit in der Biotin-Gruppe bei über 12 % (deutliche Verbesserung nach 12 und bestätigt nach 15 Monaten) - und damit genauso hoch wie bei den Vorgängerstudien (Phase 1b und Phase 2). Eigentlich reicht das - nach gesundem Menschenverstand - um die Wirksamkeit des hochdosierten Biotin nachzuweisen. Sensationellerweise lag die Wirksamkeit in der Placebo-Gruppe jedoch bei 9 %. Da das erwartete Ergebnis für die Placebo-Gruppe allerdings (realistisch) mit 2 % angesetzt war, kam das Ergebnis "keine signifikante Relevanz" heraus. Hätte man die erwartete Placebo-Erfolgswahrscheinlichkeit mit 5 % oder höher angesetzt, wäre "signifikante Relevanz" herausgekommen.

In diesem Fall gab es - ziemlich ungewöhnlich - meiner Meinung nach gegen Ende der SPI2-Studie von Seiten der Studienbetreiber ein Interesse, die Studie scheitern zu lassen. Sei es, dass Gelder von großen Pharma-Firmen an die kleine Firma MedDay geflossen sind - sei es, dass MedDay erkannt hat, dass sich der weltweite Patentschutz für (das Vitamin) hochdosiertes Biotin nicht aufrechterhalten lässt - seien es andere Gründe. Es wurde angeregt, eine neue Studie mit höherem erwartetem Placebo-Erfolgs-Prozentsatz durchzuführen: bisher hat niemand Interesse an einer solchen Studie gezeigt.

Von daher weiss ich seither, dass die ermittelte Signifikanz durch das Studiendesign erheblich beeinflussbar ist. Es ist eine formal errechnete Größe, die inhaltlich nur eine bedingte Aussagekraft hat.

Michael

P.S.:
Ich nehme mein hochdosiertes Biotin weiter ...


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