Der Weg ist das Ziel (Straßencafé)

Michael27 @, Donnerstag, 09.06.2022, 10:36 (vor 684 Tagen) @ agno

Ich weiß noch wie gestern, von einer alten Frau im Garten, irgendwas um knapp 90 Jahre alt.
Ein altes Häuschen, mit Garten, angebaut an ein schönes großes neues Haus. Tagein-Tagaus, gebeugt im Garten... Die mit einem lächeln von der Freude des Gartens erzählte.
man wird mit der Zeit bescheiden...

Ich würde es nicht Bescheidenheit nennen. Ich glaube, es ist die Fähigkeit, auch gegenüber vermeintlichen Kleinigkeiten und Selbstverständlichkeiten Zufriedenheit oder gar Glück empfinden zu können.

Und ich bin immer wieder positiv erstaunt, dass dies doch relativ vielen Menschen im Alter gelingt. Meine Schwiegermutter etwa saß ab Mitte 80 dauerhaft im Rollstuhl und musste ins Pflegeheim. Aber zumindest im Sommerhalbjahr sind wir mit ihr fast jeden Sonntagnachmittag in den gegenüberliegenden Schlosspark und dort ins Café. Sie war jedes Mal glücklich und begeistert: der schöne Park, das Café, Menschen außen herum ("das blühende Leben") und dann ein Eis-Café und/oder ein gutes Stück Kuchen mit Tochter und Schwiegersohn - so sah für sie das Glück aus. Rollstuhl und körperliche sowie ein paar geistige Einschränkungen waren ihr dann sowas von egal.

Ja, ich glaube, das Entscheidende ist, wie wir mit dem Leben umgehen. Wir vergleichen uns viel zu oft mit anderen. "Der oder die kann aber noch das - und ist 10 Jahre älter als ich." Ändert das was ? Nee, das macht uns höchstens schlecht gelaunt, depressiv oder wütend. An den eigenen Lebensumständen ändert es nichts.

Die große Kunst ist es eben, die eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen und nicht dem nachzutrauern, was nicht oder nicht mehr geht. Es gibt unglaublich viel, was wir nicht machen in unserem Leben, dem wir aber trotzdem nicht nachtrauern, weil wir es nicht anstreben: was mich betrifft z.B. Fallschirmspringen, Tauchen, einen Viertausender (oder höher) besteigen, Drachenfliegen, Motorrad-Fahren, usw. Das ginge auch als Gesunder mit Mitte/Ende 60 nicht mehr oder kaum noch. Warum dann anderem nachtrauern ?

Wir klammern uns an das, was wir schön fanden und wieder machen wollen - oder an das, wovon wir vielleicht lange geträumt hatten. Und jetzt geht es halt nicht oder nicht mehr. Aber es gibt anderes, was noch geht. Man muss nur neugierig sein und es entdecken. Eigentlich ist alles eine Frage der inneren Einstellung, der Offenheit, der Flexibilität, der Lebendigkeit, der Neugier, der Begeisterungsfähigkeit.

Große Worte, ich weiß. Aber so versuche ich es zumindest - mit mehr oder weniger viel Erfolg.

Michael


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