Die 'Objektivität' ist eine Erfindung! (Straßencafé)

W.W. @, Montag, 09.01.2023, 18:14 (vor 445 Tagen)

Seit Jahren beschäftigt mich das Problem, wie wir Objektivität und Subjektivität voneinander unterscheiden. Für viele scheint das selbstverständlich zu sein: ‚Objektiv ist das, was es tatsächlich gibt!', sagen sie. Oder: 'Subjektiv ist das, was ich mir bloß einbilde!"

Man kann das differenzierter ausdrücken, aber im Grunde genommen ist es das, was die Leute meinen. Ich hingegen meine, dass die Unterscheidung viel schwieriger ist. Ich würde sogar so weit gehen, dass es die ‚Objektivität' gar nicht gibt, Sie ist eine Erfindung des Mittelalters. Ich möchte das näher begründen.

Wenn ich z.B. einen Sonnenuntergang schön finde, ist das ‚objektiv’ oder 'subjektiv'? Das, was ich beim Sonnenuntergang empfinde, ist ganz sicher subjektiv, aber der Sonnenuntergang selbst? Er ist doch ganz sicher objektiv. Oder?

Viele Menschen meinen, die Welt, wie sie ist, sei mindestens vierdimensional – aber ich kann mir keinen vierdimensionalen Sonnenuntergang vorstellen, so ‚objektiv’, wie er auch sein mag.

Ist also das, was ich mit allen meinen Sinnen wahrnehme, wirklich ‚objektiv’?
Und wie ist das mit der Erde? Ich ‚sehe' doch, dass sie flach ist. Andererseits bin ich sicher, das sie die Oberfläche einer Kugel ist. Das haben wir vertrauenswürdige Lehrer gesagt.

Unsere Sinne können uns also täuschen, obwohl sie so ‚objektiv’ zu sein scheinen. Z.B. die Sonnenstrahlen, die ich im Sommer im Wald zwischen den Blättern hindurch auf den Boden fallen sehe. Sie sind sicher nicht parallel, sondern scheinen von einem fernen Punkt (der Sonne) zu kommen. Aber habe ich nicht in der Schule gelernt, dass sie parallel sind? Wenn man unterstellt, sie kämen von unendlich weit her? Aber wie weit ist unendlich weit?
Gibt es das Unendliche überhaupt?

Als Schüler habe ich mich immer gefragt, woran ein Lichtstrahl, der sich im Wasser bricht, sich immer so bricht, dass er auf dem kürzesten Weg zu seinem Ziel gelangt (Fermatsches Prinzip). Er hat kein Ziel, wie kann er sich dann so verhalten, als ob er eines hätte?

Je mehr ich nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass ich in einer unverstandenen Welt lebe! Dabei sagen wir alle Naturwissenschaftler, ihr Weltbild sei 'objektiv', wenn man sich nur etwas Mühe gäbe und den Satz des Pythagoras oder die Differentialrechnung verstünde.
Auch populäre Wissenschaftler wie Harald Lesch oder Ranga Yogeshwar bestätigen das. Es liegt also wohl an meiner zu geringen mathematischen Vorbildung. Wenn ich die richtigen Leute treffen würde, die fabelhaft erklären können, dann würde ich sogar die Welt, so, wie sie wirklich ist, auch ohne Formeln verstehen. Früher waren Hoimar von Ditfurth oder Joachim Bublath von dem Kaliber. Oder Richard Feynman oder George Asimow.

Jetzt weiß ich, dass die Erde rund ist, und die Realität mindestens vierdimensional. Aber es gibt noch viel, viel mehr, was das neue Weltbild ausmacht. Die Zeit vergeht in bewegten Systemen langsamer, der Kosmos fliegt auseinander und alles begann mit dem Urknall.
Der Satz ‚Alles hat eine Ursache’ scheint nicht mehr zu stimmen, denn Atome zerfallen zufällig, also ohne jede Ursache. Und sicher ist es nicht richtig, dass etwas ein Ding oder eine Welle ist. Eine dritte Möglichkeit besteht nicht.

Und die Frage, ob ein Gott existiert, scheint so schwierig zu beantworten zu sein, dass nur noch Philosophen und Theologen dazu in der Lage sind. Aber auch sie können darüber nur diskutieren, beweisen können sie nichts!

Man könnte sagen: „Auch wenn ich Ihre Schwierigkeiten, die Welt zu verstehen, nachvollziehen kann, es gibt ein schlagendes Argument, dass es die Objektivität gibt: Fahrpläne existieren doch, und die Züge kommen meist pünktlich! Wer wollte also dann noch behaupten, es gäbe das ‚Objektive' nicht?!

Ich sehe das alles ein und bin auch sicher, dass eine Rakete ziemlich genau auf dem Punkt der Mondoberfläche landet, den man vorher ausgerechnet hat. Und dennoch: Ich bezweifle, dass es ‚Objektivität' gibt! Aber wie kann man etwas, das so selbstverständlich ist, in Zweifel ziehen? Ich muss zugeben, dass mich die Gegenargumente geradezu erdrücken.

Wolfgang


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