Probleme und Grenzen der Achtsamkeitsübungen (Allgemeines)

Boggy, Sonntag, 30. Juni 2024, 15:44 (vor 133 Tagen)

Ich habe gerade angefangen, einen längeren Artikel zu lesen, den ich persönlich sehr wichtig und erhellend finde - in bezug auf den "Achtsamkeits-Hype".
Ich möchte hier ein paar erste Hinweise als Zitate einfügen, für alle, die sich dafür interessieren.

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0176239

Lindahl JR, Fisher NE, Cooper DJ, Rosen RK, Britton WB (2017);
The varieties of contemplative experience: A mixed-methods study of meditation-related challenges in Western Buddhists; PLoS ONE 12(5): e0176239. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0176239

"Aus dem Buddhismus abgeleitete Meditationspraktiken werden derzeit als eine beliebte Form der Gesundheitsförderung eingesetzt.
Während Meditationsprogramme sich auf buddhistische Textquellen über die Vorteile der Meditation stützen, wird in diesen Quellen auch eine breite Palette anderer Wirkungen anerkannt, die über gesundheitsbezogene Ergebnisse hinausgehen.
Die Studie "Varieties of Contemplative Experience" untersucht Meditationserfahrungen, über die in der Regel zu wenig berichtet wird, insbesondere Erfahrungen, die als herausfordernd, schwierig, beunruhigend, funktionell beeinträchtigend und/oder unterstützungsbedürftig beschrieben werden.
Im Rahmen eines gemischten Methodenansatzes wurden qualitative Interviews mit westlichen buddhistischen Meditationspraktikern und Experten der Theravāda-, Zen- und tibetischen Traditionen geführt.
(...)
Buddhistische Meditationspraktiken, die traditionell Teil eines umfassenden religiösen Weges zum Erwachen (bodhi) waren, sind heute im modernen westlichen Kontext auch eine beliebte Form der allgemeinen Gesundheitsförderung,(...)
In diesem neuen Kontext bilden die aus dem Buddhismus stammenden Meditationspraktiken die Grundlage für Behandlungsprogramme wie die "achtsamkeitsbasierten Interventionen"/“mindfulness-based interventions” (MBI), die zur Linderung einer Vielzahl von Beschwerden, einschließlich Stress, eingesetzt werden.
(...)
Mit mehr als 20 Achtsamkeits(mindfulness)-Handy-Apps [20] trägt Achtsamkeit wesentlich zur milliardenschweren Meditationsindustrie bei.
(...)

Der begrenzte Fokus auf den Nutzen der Meditation für die physische und psychische Gesundheit und das Wohlbefinden ist jedoch eine moderne und weitgehend westliche Schöpfung, die weder die Vielfalt der Meditationspraktiken noch die Bandbreite der möglichen oder sogar wahrscheinlichen Auswirkungen dieser Praktiken widerspiegelt.
(...)

Dennoch werden die aus dem Buddhismus stammenden Meditationspraktiken im Westen häufig im Hinblick auf ihre nicht-religiösen gesundheitsbezogenen Ergebnisse dargestellt, wobei die Möglichkeit eines breiteren Spektrums von Wirkungen, die sowohl von traditionellen buddhistischen Quellen als auch von modernen amerikanischen buddhistischen Autoren nahegelegt werden, wenig bis gar nicht berücksichtigt wird [52, 53].

Insbesondere müssen wir wissen: Wie groß ist die Bandbreite der Wirkungen, die mit der Meditationspraxis in diesem Kontext verbunden sind?
Und welche Wirkungen berichten die Menschen als unerwartet, herausfordernd, schwierig oder belastend?
Die Beantwortung dieser Fragen wird unser Wissen darüber erweitern, wie buddhistische Meditation im Westen verstanden und praktiziert wird, welche Art von Unterstützungsstrukturen für meditationsbezogene Herausforderungen benötigt werden und welche potenziellen Anwendungsgrenzen für die Anwendung von Meditation für Gesundheit und Wohlbefinden bestehen."

Gruß
Boggy

P.S.
Ein stark verkürzender und nicht ausreichend differenzierender Artikel, den ich aber quasi als "Einführung" nicht weglassen möchte, findet sich hier (Hauptproblem: es wird nicht zwischen den unterschiedlichen Meditationsformen mit unterschiedlichen Wirkungen unterschieden):
https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/meditation-risiken-nebenwirkungen-100.html

P.P.S.
Damit es keine Mißverständnisse gibt: es ist aus meiner Sicht überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn "Meditationspraxis" "nur" zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens ausgeübt wird, und ich denke, daß der Buddha da auch nichts gegen hätte. Man sollte nur wissen, was man tut, und welche Wirkungen das haben kann.

(bitte tags setzen: Achtsamkeits-Hype, Achtsamkeit )

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Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

Tags:
Achtsamkeit, Achtsamkeits-Hype


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