Eine hoch sensibilisierte Gesellschaft (Allgemeines)

Jakobine, Montag, 29.11.2021, 13:16 (vor 850 Tagen)

Die Sensibilisierung in unserer Gesellschaft nimmt immer mehr zu. Die Betroffenheit des Einzelnen findet u. a. in den sozialen Medien die gewünschte Aufmerksamkeit. Ob divers, vegan, Single, Familienmensch, ImpfbefürworterIn oder -gegnerIn jeder will gehört werden und gesehen werden, aber auch jeder und jede.

Durch diese zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft ist das Auseinendertriften eine Folge und die Singularisierung verbreitet sich stark und das bedeutet Einsamkeit. Gestern Nacht mit Richard David Precht und der Philosophin Faßbühler

https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/precht-234.html

Dagegen hilft nur Resilienz (so das Lieblingsthema von Boggy)

Grüße Jakobine

Eine hoch sensibilisierte Gesellschaft ?

Boggy, Montag, 29.11.2021, 17:41 (vor 850 Tagen) @ Jakobine

Durch diese zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft ist das Auseinendertriften eine Folge und die Singularisierung verbreitet sich stark und das bedeutet Einsamkeit. Gestern Nacht mit Richard David Precht und der Philosophin Faßbühler

https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/precht-234.html

Ich stelle einfach Auszüge aus einem Kommentar aus der F.A.Z, Sonntagszeitung, zur Sendung dazu:

Quelle:
https://zeitung.faz.net/fas/feuilleton/2021-11-28/

"Sie nennen es Freiheit
(...)
„Sensibilisieren wir uns zu Tode?“, heißt die Sendung,(...) – und an der etwas sichtbar wird, was man in der anhaltenden Pandemie insgesamt beobachten kann: wie nämlich ein Diskurs, der die angebliche Beschneidung von Freiheit, gesellschaftliche Zwänge und selbst auferlegte Zensur beschwört, vom Milieu der Impfskeptiker und Corona-Leugner allmählich in die bürgerliche Mitte transportiert wird.
(...)
Denn was man auch jetzt in ihrem gemeinsamen Auftritt findet, ist jene polemische Behauptungskette von Freiheitsberaubung und Selbstzensur, die man seit der Corona-Pandemie vor allem im rechten Spektrum findet: in der #allesdichtmachen-Aktion, mit der Schauspielerinnen und Schauspieler sich gegen Corona-Maßnahmen wehrten;
(...)

Dass die individuelle Freiheit auch da enden kann, wo sie die Freiheit anderer gefährdet, scheint nicht zu interessieren. Da der Begriff des Individuums aber nur Sinn ergibt, wenn er sich auf eine Gemeinschaft bezieht, hat sich der Verfassungsrechtler Christoph Möllers in seinem Buch „Freiheitsgrade“ vor allem für den Begriff der kollektiven Freiheit starkgemacht
(...)

Was sie paradigmatisch vorführen, ist, wie der Diskurs vom behaupteten Freiheitsentzug durch den Staat oder der Obrigkeit angeblich willfährig dienenden und Regeln übereifrig erfüllenden Bürgerinnen und Bürgern längst das bürgerliche Lager erreicht hat.

Sie tun ein bisschen so, als hielten sie gerade ein Uni-Seminar ab, streuen dabei mit raffinierter Beiläufigkeit über berechtigte Kritik hinaus aber zugleich grundsätzliche Zweifel an staatlichen Institutionen und beschädigen den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Von einer Freiheit, die sich am Kollektiv orientiert und auf Solidarität abzielt, ist man hier weit entfernt – und treibt damit selbst voran, was man als Argument gegen Maßnahmen oder eine mögliche Impfpflicht immer wieder anführt: die Spaltung der Gesellschaft."

Gruß
Boggy

--
Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

Eine hoch sensibilisierte Gesellschaft ?

Jakobine, Montag, 29.11.2021, 18:42 (vor 850 Tagen) @ Boggy

Die Sendung bezog sich nicht speziell auf Impfskeptiker, sondern es wird diskutiert und überlegt, weshalb unsere Gesellschaft so auseinandertriftet. Hier sprechen zwei Philosophen miteinander und stellen die Frage, was das mit der zunehmenden Sensibilierung in unserer Gesellschaft zu tun hat. Lohnt sich, das anzuhören. Dies gefährdet natürlich unsere Demokratie und den Zusammenhalt.
Ich finden diesen Aspekt nachdenkenswert. Grüße Jakobine

Eine hoch sensibilisierte Gesellschaft ?

Jakobine, Montag, 29.11.2021, 18:54 (vor 850 Tagen) @ Jakobine

Der Kommentar der FAZ konnte die Feinheiten des Diskurses nicht aufnehmen. Er stellt die Sendung wieder in eine bestimmte Ecke, leider. Jedenfalls verlasse ich mich doch lieber auf meine Wahrnehmung. Denn Freiheit ist eine Errungenschaft, die natürlich in der Pandemie beschnitten werden muss, um den "Volkskörper" zu schützen.
Mit dem Thema Freiheit werden wir uns zukünftig mehr beschäftigen müssen, da in der neu zu bildenden Regierung die FDP die Freiheit besonders schützen will.Grüße Jakobine

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desensibilisieren = Vertrauen fassen (in der Gesellschaft) ?

agno @, Montag, 29.11.2021, 19:40 (vor 850 Tagen) @ Jakobine

https://www.uni-heidelberg.de/de/newsroom/selbstermaechtigung-spaltung-der-gesellschaft...
agno

--
Weiß nicht, woher ich komm, weiß nicht, wie lang ich bleib, weiß nicht, wohin ich geh, mich wundert, dass ich glücklich bin ...

desensibilisieren = Vertrauen fassen (in der Gesellschaft) ?

Jakobine, Dienstag, 30.11.2021, 12:20 (vor 849 Tagen) @ agno

Interessant agno, dass sich Dein Beitrag mit der Selbstermächtigung beschäftigt. Am Ende der Sendung mit Precht und Faßbühler wird auch vorgeschlagen, sich selbst zu ermächtigen (im positiven Sinne), kurz gesagt aus der jeweiligen Situation was Konstruktives zu machen. Nicht wie es üblich ist, in negativen und eher depressiven Verneinungen u. ähnl. zu verfallen. Das wäre ein Beitrag gegen Spaltungen und würde auch Vertrauen schaffen. G. Jakobine

Keine Spaltung der Gesellschaft - sondern Abspaltung

Boggy, Dienstag, 30.11.2021, 13:41 (vor 849 Tagen) @ agno

https://www.uni-heidelberg.de/de/newsroom/selbstermaechtigung-spaltung-der-gesellschaft...
agno

Wenn ich den ganzen Artikel lese, also die pdf-Fassung, dann erkenne ich, daß die Rede von der "Spaltung" der Gesellschaft bei genauer Betrachtung unzutreffend ist, denn sie legt eine 50 zu 50-Aufteilung nahe. Es handelt sich aber nur um ein Abspaltung eines kleinen Teils der Bevölkerung.

Quelle:
https://heiup.uni-heidelberg.de/journals/index.

Zitat:

"PETER KIRSCH, HANNO KUBE & REIMUT ZOHLNHÖFER: SPALTUNG DER GESELLSCHAFT DURCH MISSTRAUEN

Unserer Erhebung zufolge scheint nur ein kleiner Teil der Befragten zu Selbstermächtigung im Sinne einer bewussten Verletzung der Corona-Regeln zu neigen: Jeweils mehr als 80 Prozent der Befragten gaben an, sich meistens oder immer an die Corona-Regeln zu halten, während nur drei bis vier Prozent sagten, dass sie sich selten oder nie an die Regeln hielten
(...)

Demnach sind also Menschen, die mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden sind, auch deutlich weniger bereit, sich an die Corona-Regeln zu halten. Dieser Befund ist aus demokratietheoretischer Perspektive beunruhigend: denn demzufolge manifestiert sich in der Weigerung, sich an die Corona-Regeln zu halten, nicht nur Unzufriedenheit mit einzelnen Maßnahmen oder der amtierenden Regierung (die sich ja abwählen ließe!), sondern sogar mit dem demokratischen System selbst.
Wenngleich, das darf nicht vergessen werden, nur bei einem vergleichsweise kleinen Teil der Befragten.
(...)

Je höher bei unseren Probanden diese Verschwörungsmentalität ausgeprägt war, umso weniger wahrscheinlich war es, dass sie die Corona-Maßnahmen akzeptierten. Besonders deutlich ausgeprägt war dieser Zusammenhang bei der Impfbereitschaft, die bei Menschen mit einer stark vorhandenen Verschwörungsmentalität erheblich geringer war."

Gruß
Boggy

--
Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

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Abspaltung / Gebirgsregionen-Medienthese

agno @, Dienstag, 30.11.2021, 14:14 (vor 849 Tagen) @ Boggy

https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/gebirgsregionen-medienthese-durch-schwei...

Damit schließt sich der Kreis. :-(
agno

--
Weiß nicht, woher ich komm, weiß nicht, wie lang ich bleib, weiß nicht, wohin ich geh, mich wundert, dass ich glücklich bin ...

Abspaltung / Gehirnregionen

sole, Dienstag, 30.11.2021, 15:05 (vor 849 Tagen) @ agno

.
komisch, was ich als Überschrift gelesen hab.

"" Abspaltung / Gehirnregionen ""

passt aber irgendwie wie in die Zeit.

Damit schließt sich der Kreis. :-(
agno

Abspaltung / Demokratieunzufriedenheit

Boggy, Dienstag, 30.11.2021, 15:13 (vor 849 Tagen) @ agno

Was mich u.a. beschäftigt ist die Tatsache, daß diese Menschen, die mit der Demokratie in unserer Gesellschaft unzufrieden sind, aus den Augen verlieren, daß viele Probleme, die sie sehen und an sich selbst erleben,
NICHT auf die Demokratie als Gesellschaftsordnung zurückzuführen sind,
sondern darauf, daß diese Demokratie als politische Ordnung der Gesellschaft im Rahmen einer (inzwischen globalisierten) kaptitalitschen Wirtschaftsordnung existiert.

Es ist notwendig, diese Unterscheidung in der Analyse der gesellschaftlichen Probleme im Blick zu behalten.
Nicht die demokratische Ordnung ist in den allermeisten Fällen das Problem bzw. die Ursache.
Sie ist der falsche Gegner.

Die politischen Handlungsmöglichkeiten werden durch die Macht des Kapitals - speziell unter den Bedingungen des globalisierten Kapiltalismus - deutlich eingeschränkt; und damit werden auch die Möglichkeiten der demokratischen Gesellschaft über die Politik die Macht des Kapitals zu begrenzen, deutlich eingeschränkt.

Ich benutze hier den Begriff des "Kapitals" im Marxschen Sinne als einen abstrakten, ökonomischen Verwertungsprozeß, mit eigenen, "objektiven" ökonomischen Gesetzmäßigkeiten - der nicht leicht gedanklich zu greifen ist; was wiederum dazu verleiten kann, sich von "anonymen Mächten" bedroht zu fühlen.

Das kann ich hier nur anreißen, aber ich halte es für wichtig, in diese Richtung zu denken; und befürchte, das wird in den Sozialwissenschaften kaum oder gar nicht (mehr) gemacht. Ich habe darüber aber keinen Überblick.

Gruß
Boggy

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Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

Abspaltung / Demokratieunzufriedenheit

W.W. @, Dienstag, 30.11.2021, 15:33 (vor 849 Tagen) @ Boggy

Lieber Boggy,

ich halte den Unterschied, den Sie hier machen, für sehr wichtig. Man kann über das meckern, was einen stört, und es für eine Eigenschaft der Demokratie halten, aber es wäre auch denkbar, dass es etwas Kapitalistisches ist, das sich unter dem Deckmantel der Demokratie verbirgt.

W.W.

PS: Der Kapitalismus könnte proteushafter (wandlungsfähiger) sein, als Marx es vermutet hat.

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