Ich denke, 'Resignieren' sind in Bezug auf MS und das Leben allgemein zwei verschiedene Dinge.
Auf MS bezogen würde ich das, was Ulma beschreibt, auch gar nicht 'Resignieren' nennen, sondern sich abfinden und mit dem, was ist, so gut wie möglich leben ohne noch auf eine grundlegende Verbesserung der MS oder eine Heilung durch neue Entwicklungen zu hoffen.
Ja, ich glaube im nachhinein, dass ich da etwas überreagiert habe mit meiner "Resignieren"-Einschätzung.
Ich will mal zwei persönliche Aspekte erzählen, die meine Reaktion vielleicht ein bisschen nachvollziehbarer machen.
Meine Mutter ist mit 56 Jahren gestorben, weil sie für sich keine Perspektive mehr im Leben gesehen hat. Sie war Lehrerin, ist aus dem Beruf raus, als das erste Kind kam (das war ich), hatte 5 Kinder - und der Mann, also mein Vater, war beruflich erfolgreich. Also keine untypische Konstellation für die 1960er bis 1980er Jahre.
Meine Mutter war sehr sensibel und ungeheuer kreativ. Sie hat mit uns Kindern Kartoffeldruck gemacht, gebatikt, getöpfert, Emaille-Arbeiten usw. Sie hat selbst ein Kasperltheater gebaut und die Puppen dazu gebastelt. Ja und dann sind die Kinder eins nach dem andern aus dem Haus, sie hat sich nach fast 30 Jahren Pause nicht mehr getraut, wieder als Lehrerin einzusteigen - wurde depressiv und hat für sich keine Perspektive mehr gesehen. Woran man dann - medizinisch gesehen - stirbt, spielt keine Rolle. Sie hat sich aufgegeben. Ich nenne solche Konstellationen "passiven Suizid".
Es war brutal für mich. Ich war Ende 20 und noch nicht so stark, dass ich ihr hätte helfen können. MS war noch kein Thema. Meine ersten Symptome begannen mit Mitte 50. Aber ich habe mir damals geschworen: ich werde NIE, NIE, NIE im Leben aufgeben, egal, wie mein Leben verlaufen wird.
Das zweite Ereignis war der Suizid einer MS-Betroffenen, die ich (vom Sehen) über die MSK (https://www.multiple-sklerose-e-v.de/) kannte. Sie hat regelmäßig in der Mitglieder-Zeitschrift BLICKPUNKT geschrieben - und in ihrem letzten Artikel vor knapp 5 Jahren anklingen lassen, dass es ihr nicht gut geht. Ich habe ihr - ohne sie eigentlich zu kennen - einen langen Brief geschrieben, in der ich versucht habe, ihr so unaufdringlich wie möglich all die kleinen Alltags-Schönheiten nahezubringen (Musik, Blumen, Sonne, gutes Essen & Trinken, usw.) im Sinne der Botschaft "Leben lohnt sich immer". Im nächsten BLICKPUNKT stand, dass sie Suizid begangen hat.
Diese zweite Erfahrung hat mich noch mehr darin bestärkt, auf Andere zuzugehen, wenn ich das Gefühl habe, jemand resigniert. Und so kommt es natürlich auch immer wieder zu Überreaktionen, wie vermutlich auch in diesem Fall.
Aber so bin ich halt. Und ich denke, es hilft, die Hintergründe zu kennen, um mein Verhalten besser zu verstehen. Ich bin da - eben auch, was mich selber angeht - ungeheuer radikal konsequent. Das macht es mir natürlich leichter, mit meiner MS umzugehen. Und es wirkt, gerade in Foren, manchmal auf andere überheblich, arrogant oder gar unglaubwürdig.
Und natürlich habe ich in dreierlei Hinsicht auch großes Glück: erstens fingen meine MS-Symptome erst mit Mitte 50 an. Da hatte ich schon viel ge- und erlebt. Zweitens bin ich nicht allein, sondern habe meine Frau. Ich kenne leider einige MS-Betroffene, die als Einzelkämpfer(innen) es brutal hart haben. Und schließlich habe ich keine finanziellen Sorgen. Ich brauche im Zweifelsfall also nicht zittern, ob die Krankenkasse mir ein Hilfsmittel finanziert, was ich selbst für mich für wichtig halte. Oder wie ich ggfs. meine Pflege in den nächsten Jahren finanziere - wenn erforderlich.
So, das war jetzt mal ein sehr persönlicher Post.
Michael