So war's bei mir (Allgemeines)

jerry @, Samstag, 08.09.2018, 11:51 (vor 2028 Tagen)

Hallo,


vielleicht gibt es ja Interesse dran, in diesem Thread mal den eigenen MS-Verlauf zu skizzieren. Ich würde schon gern mehr von Euch erfahren und mache mal den Anfang.


Bei mir kam es 1972/73, also noch zu Gymnasialzeiten, zu mehreren Episoden mit Missempfindungen an Zehen und Fußsohlen, später auch Ober- und Unterschenkeln bis zum Beckenbereich.
Aus heutiger Sicht waren dies die ersten Schübe…

1977 hatte ich im heißen Griechenlandurlaub mitunter den Eindruck, ein Bein ‚nachzuziehen‘

1980 zwei heftige Schübe im Abstand von 3-4 Monaten (Vestibularisneuritis mit anhaltendem Drehschwindel und Brechreiz, Optikusneuritis).

Ab Ende 1981 bis ca.1985 2-4 Schübe jährlich, Humpeln, Fußheberschwäche, Ataxie/Gleichgewichtsstörungen, Störungen von Oberflächen- und Tiefensensibilität auch der oberen Extremitäten (dies eher rechtsbetont), zunehmende Einschränkung der mir möglichen Gehstrecke, erste Erfahrungen mit imperativem Harndrang…

Mehrfache niedrigdosierte Kortisongabe oder ACTH wie damals üblich – seit etwa 1982 keine vollständigen Rückbildungen jeweiliger Schubsymptomatik mehr.

Zum Jahreswechsel 1986/87 heftiger Schub mit Lähmungserscheinungen, in deren Folge ich Probleme hatte, mich selbst an- und auszuziehen oder meine Lage im Bett zu verändern.

Ich hatte die verrückte Hoffnung, was so heftig und akut über mich gekommen sei, müsse doch auch gute spontane Rückbildungstendenzen haben, und verzichtete auf Korti. Nach etwa 8 Wochen ging es deutlich besser, ich begann wieder zu arbeiten, mein Zustand ein Vierteljahr nach Schubbeginn blieb jedoch mit Reststörungen bestehen.

Danach erlebte ich nie wieder MS-Schübe, wohl aber eine schleichende Progression mit Auswirkungen insbesondere auf mein Gehvermögen, die Funktionen der rechten Hand und die Blasenfunktion.

Ab 1996 Gehstock, 1999 bis 2005 Rollator, danach Aktivrolli und Handbikes, BU-berentet seit 2010.

Was sich seither tut, ist schwer einzuschätzen… Stillstand? Andererseits setzen mir die schwülen und heißen Sommermonate immer mehr zu – und wenn ich mitunter denke, der Grat zwischen selbstbestimmtem Leben und völliger Pflegeabhängigkeit sei nur schmal, dann hab ich im Herbst jeweils den Eindruck bekommen: Wieso, geht doch.

Diese Jahreswende hab ich 2018 noch nicht wirklich erreicht.

Im Rückblick kann ich nicht von mir behaupten, Tage erlebt zu haben ohne Einschränkungen durch meine MS oder Gedanken daran. Aber ich hatte das Glück, meinem ‚Problem‘, wie ich es zu nennen gewohnt war, meine gefühlte Lebensqualität nicht opfern zu müssen.

Auch wenn es Dinge gibt, die mich besonders traurig machen, z.B. die Unmöglichkeit, mich auch nur annähernd am Klavier so auszudrücken (auch auszutoben) wie vormals.

Ohne zusätzliche Sorgen vor therapeutisch induzierter Leukämie, PML, Autoimmunhepatitis … durch die vergangenen 46 Jahre gekommen zu sein, dafür bin ich dankbar.

Und für die glücklichen Jahre aus familiären Zeiten und die drei Kids erst recht…


LG, jerry

Tags:
Leben mit MS


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