Rares Gut (Straßencafé)
Seit Tagen irrlichtere ich jetzt schon auf der Suche nach Toilettenpapier durch sämtliche Läden meines Stadtviertels – nichts zu machen, es gibt keines, nirgendwo. Nicht bei Rewe, Edeka, Lidl, dm, Rossmann oder Penny.
Ich bin kein ängstlicher Mensch und habe die Auswüchse dieser Corona-Hamsterei lange belächelt. Nun aber, da meine schon bei Ausbruch der Corona-Krise angebrochene Großpackung Recyclingtoilettenpapier schwindet, machen sich Sorgen breit.
Was, wenn die Knappheit anhält und es nicht nur darum geht, dass die eigene Marke nicht zu haben ist, sondern schlichtweg gar nichts?
Argwöhnisch betrachte ich mittlerweile einige Nachbarn, insbesondere die aus dem zweiten Stock, die seit kurzem so sorgsam darauf achten, sich nicht zeitgleich mit anderen im Keller aufzuhalten. Soziales Distanzieren wegen des Virus, ja nee, is klar.
Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wurde mir zugetragen, man hätte eben diese Nachbarn bei einem Einkauf im Gewerbegebiet gesehen, wo sie vergangenen Samstag noch palettenweise das begehrte Gut verkauft und besagte Hausgenossen ihren Kofferraum ordentlich damit befüllt hätten.
Mindestens gleichermaßen verdächtig verhielten sich allerdings auch die Zuträger dieses Sachverhalts, als sie auf meine kritische Nachfrage hin untröstlich anmerkten, dass sie selber leider nichts mehr bekommen hätten und nun auch wirklich schnell weitermüssten.
Da ist doch was faul.
Vermutlich stapeln sich die Klopapiervorräte sämtlicher Nachbarn in den Kellerabteilen bis zur Decke und nur bei mir herrscht Mangel.
Diese Gedanken üben einen negativen Einfluss auf mein gesamtes Weltbild aus, denn selbst die bestrickte Klopapierrolle auf der Renault-Hutablage des älteren Herrn aus dem Haus schräg gegenüber macht auf mich momentan keinen altbackenen Eindruck, sondern scheint einer großkotzigen Haltung zu entspringen: Seht her, ich kann es mir leisten, eine Rolle ins Auto zu legen.
„Montag um acht Uhr erwarten wir wieder eine Lieferung“, zischte mir die Verkäuferin vorhin auf meine Nachfrage durch zusammengepresste Lippen zu. „Aber seien sie früher da, die Leute stehen schon vor Ladenöffnung Schlange.“
Ja geht’s noch?
Nein, nicht mit mir.
Ich habe beschlossen, bis zur letzten Rolle zu warten, und sollte bis dahin in den Läden noch immer kein Nachschub unter vernünftigen Umständen käuflich zu erwerben sein, knacke ich das Kellerschloss der Nachbarn und nehme mir eine Packung vom Stapel.
Selbstverständlich werde ich das entsprechende Entgelt dafür hinterlegen - gut sichtbar mit einem kleinen Vermerk: Haben und nicht geben ist manchmal schlimmer als stehlen.
