Titan eins (Allgemeines)
Es geht sehr langsam vorwärts, mit vielen Pausen.
Da geht schon mal ein Gespräch per Telefon mit meiner dementen Mutti aus dem betreuten Wohnen dazwischen, die sich an das kleine Teesahnegießkännchen erinnerte, das ich gestern vom Schrank holte.
Sie hatte in den Sechzigern, so 67 rum, ihre Lehrerkolleginnen eingeladen, zum Tee.
Ein mörderischer Krach, wenn mehrere Lehrer miteinander schwatzen.
Dann wurde der neue Teewagen beladen mit dem auserlesenen Teegeschirr von Frau Vollrath.
Und über der Teppichkante kam alles zum stürzen - wie mit einem Krankenkassenrolli gefahren.
Nur das Sahnekännchen, das ich in der Hand hielt, hat überlebt.
Ich habe es später kassiert.
Ich erinnere mich noch gut an die Szene.
Meine Eltern wohnten in einer stattlichen Villa.
Im Osten hieß das, das drei oder vier Parteien sich eine Einfamilienvilla teilten.
Unser Eingang war pompös mit Freitreppe und schwingender Wendeltür, geschliffenem Glas und Messinggreifen, hinter grün rosa Seerosenkacheln.
Ein Minibarockschloss des ehemaligen Jagdmeisters von König Günther, das einmal im Jugendstil und später à la dreißiger Jahre umgebaut wurde.
Mit Zweimeter spezialangefertigter Badewanne, weil der Hausherr ein großer war.
Ein paar Milchglasscheiben trennten die Wohnung von den Nachbarn, die allesamt über den ehemaligen Dienstboteneingang einmarschierten.
Wir hatten die Repräsentationsräume erwischt.
Die Decken in den Zimmern waren stuckverziert und 4,20 hoch, das Parkett aus Nussbaum, dessen regelmäßige Kratzer an die Bettgestelle des Lazaretts von 1918 erinnerten.
Es war immer höllenkalt, trotz dreißiger Jahre Heizung und Kachelofen in jedem Raum.
Bei strengem Frost wurde alles angeworfen und bevor ich in den Kindergarten ging, hatte ich als oberste Brandmeisterin alle Öfen zuzuschrauben, einschließlich der schiffgroßen Heizanlage im Keller.
Sie hätten nie Bedenken gehabt, das ich das mal nicht genau bei "alles rot" erledigt hätte.
Manchmal war da vorn noch eine einzelne Kohle schwarz und ich musste eine frühkindliche weittragende Entscheidung treffen.
Das Teegeschirr war ein Geschenk von der ehemaligen Eigentümerin der Villa, der Fabrikantentochter.
Als meine Eltern noch in der Villa drei Häuser weiter wohnten, tapfer ohne Bad mit Kleinkind.
Die ehemalige Besitzerin war mit allen Hausbewohnern befreundet und besuchte uns öfter.
Auch, als wir nicht mehr in ihrer, sondern einer anderen Villa, alle mit Schlossblick natürlich, wohnten.
Wie kann ich jetzt diesen Sahnegießer entsorgen?
Ich muss da nun Sahne reingießen.
Damit er bleiben kann.