Die Krise der Demokratie - wahr und falsch (Straßencafé)

Boggy, (vor 1848 Tagen)

(Falls es angemessen erscheint und gewünscht wird, habe ich nichts dagegen, daß dieser Beitrag ins Separee verschoben wird.)

Ich habe im englischen Guardian einen hervorragenden Artikel entdeckt (leider offensichtlich in Englisch und sehr lang), der sich mit der derzeitigen Krise der Demokratie auseinandersetzt, am Beispiel der USA unter und mit Trump. In dem u.a. die Methoden der Untergrabung der Demokratie untersucht werden, wie z.B die offenkundigen Lügen und Verfälschungen, deren Macht in der ständigen Wiederholung liegt, und darin, daß um sie herum eine alternativer Welt geschaffen wird, in denen sich die „Gläubigen“ wohler, mächtiger, bedeutungsvoller fühlen können.

Quelle:

https://www.theguardian.com/books/2020/nov/21/can-american-democracy-survive-donald-trump
(neues Fenster/tab)


Ein paar Ausschnitte in Übersetzung:

„Das Magazin Atlantic kündigte ein Interview mit Barack Obama an, in dem er davor warnt, dass die USA "in eine erkenntnistheoretische Krise" geraten - eine Krise des Wissens. "Wenn wir nicht die Fähigkeit haben, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden", erklärt Obama, "funktioniert unsere Demokratie per Definition nicht".
(…)
demonstrieren sie die These: dass die amerikanische Demokratie nicht nur vor einer Vertrauenskrise steht, sondern auch vor einer Krise des Wissens/der Erkenntnis selbst, vor allem deshalb, weil sich die Sprache zunehmend von der Realität gelöst hat, da wir uns in einem wirbelnden Strudel von Lügen, Desinformation, Paranoia und Verschwörungstheorien befinden.
(…)
"Da Fakten als 'gefälschte Nachrichten' („fake news“) dargestellt werden, und Ideen, die von denen stammen, die die Fakten leugnen, zur Regierungspolitik werden, müssen wir uns daran erinnern, dass das gegenwärtige Reden über die 'Nach-der-Wahrheit' („post-truth“) eine politische und intellektuelle Herkunft hat: die Geschichte der faschistischen Lüge. Sowohl George Orwell als auch Hannah Arendt, zwei der schärfsten Beobachter des Totalitarismus in der Geschichte, verorteten Lügen genau im Zentrum des totalitären Projekts.
(…)
Doch wie Arendt bemerkte, war es nicht ideologische "Indoktrination", die totalitäre Lügen definierte, sondern vielmehr "die Unfähigkeit oder mangelnde Bereitschaft, zwischen Fakten und Meinungen überhaupt zu unterscheiden".
(…)
Die große Lüge bietet einen Ersatz für eine unbefriedigende Realität, einen kollektiven Wahn, der die Lücken zwischen Macht und Verstehensfähigkeit füllt. Sie begnügt sich nicht damit, einzelne Tatsachen anzugreifen, sondern versucht, eine alternative gesellschaftliche Fantasie zu schaffen, die ihre Gläubigen besänftigt und gleichzeitig den Lügnern Macht verleiht. Wie der Historiker Robert Paxton feststellte: "Gefühle treiben den Faschismus mehr an als Gedanken."
(…)
Trump hat vier Jahre damit verbracht, politische Macht auszuüben, um die Realität allen seinen Behauptungen anzupassen. Dies ist sowohl eine theokratische als auch eine totalitäre Leistung. Je geistig verwirrter die Behauptung, desto besser erfüllte sie ihren Zweck: Die Aussagen mussten wild von der Realität losgelöst werden, um seine Macht deutlich zu machen, die Realität sich nach seinem Wort beugen zu lassen. Gottähnlicher Trump verkündete, und die Leute drängelten sich, um es wirklich zu machen - oder um es wirklich erscheinen zu lassen.“

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Um unserer persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit willen müssen wir immer wieder die Saat des kritischen Verstandes und des begründeten Zweifels säen.

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