Ist das Epstein-Barr-Virus die Ursache der MS? (Teil 1) (Allgemeines)

W.W. @, Donnerstag, 20.01.2022, 13:03 (vor 827 Tagen)

Aufgrund der vielen Einwände bin ich in mich gegangen und habe neu formuliert. Inzwischen liegt mir auch die Originalarbeit vor.

Ist das Epstein-Barr-Virus die Ursache der MS?
Als ich vor ein paar Tagen von der Studie hörte, dachte ich zunächst: An den Ergebnissen ist nichts zu rütteln, sie ‚beweisen' geradezu, dass das Epstein-Barr-Virus (EBV) die Ursache der MS ist. Aber die Gefahr ist groß, dass man sich von der Größe einer Studie und der Zeitschrift, in der sie veröffentlicht wird, blenden lässt. Jetzt habe ich etwas darüber nachgedacht und viel mit Betroffenen diskutiert. Meine anfängliche Euphrie ist zwar geringer geworden, das soll aber nicht heißen, dass ich Ergebnisse in Frage stelle - aber so ganz sicher bin ich mir nicht mehr.
Das Hauptproblem scheint mir zu sein, dass so viele mit EBV infiziert sind und nur so wenige an MS erkranken. Ich habe das lange unterschätzt. Im Grunde genommen läuft das Argument darauf hinaus: Wenn sowieso alle infiziert sind, dann ist es doch kein Wunder, dass alle mit MS auch irgendwann einmal EBV gehabt haben.
Diesem Argument kann man auf zwei Weisen begegnen: 1. müssten alle, aber wirklich alle mit MS auch Antikörper gegen EBV haben, und 2. Wenn sie primär keine Antikörper hätten, dann müssten sie welche entwickeln, bevor die MS ausbricht. Nun zur Studie.

Die Studie
Im Januar diesen Jahres erschien in SCIENCE eine aufsehenerregende Studie mit dem Titel: ‚Longitudinal analysis reveals high prevalence if Epstein-Barr virus associatend with multiple sclerosis’. Sie legte nahe, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spräche, dass das Epstein-Barr-Virus (EBV) die Ursache der MS sei.

Eigentlich ging es zunächst einmal um das HIV: Etwa 10 Millionen junge Mitglieder der US-Armee wurden von 1993 bis 2013 alle 2 Jahre auf Antikörper gegen das HIV untersucht. Ein Nebeneffekt war, dass bei 955 von ihnen eine MS diagnostiziert wurde. Da die Blutproben aufbewahrt wurden, konnten diese im Nachhinein auch auf Antikörper gegen andere Viren untersucht werden. Dabei ergab sich, dass bei 800 von 801 Antikörper gegen EBV gefunden wurden. Die Zahl 801 ergab sich, weil nur die MS-Betroffenen gezählt wurden, die während der Studiendauer diagnostiziert worden waren.

Obwohl die Korrelation mit 99,88% erstaunlich hoch war, wurde eine zweite Untersuchung angeschlossen: Bei 35 Patienten mit MS konnten bei den ersten Untersuchungen keine Antikörper gegen EBV nachgewiesen werden, d.h. sie waren zum Zeitpunkt der ersten Blutprobe noch nicht infiziert. Von diesen steckten sich jedoch 34 vor dem Ausbruch der MS mit dem EBV an und entwickelten Antikörper.

Einwände
Nun kann man einwenden, man müsse nicht päpstlicher als der Papst sein und in jeder großen Studie stimme nicht alles 100%ig, man müsse nur an die Physikexperimente in unserer Schulzeit zurückdenken, die auch nie richtig geklappt hätten. Es geht mir hier um zwei Fragen: warum einer von 101 keine Antikörper gegen EBV im Blut hatte, und warum nur 34 von 35 MS-Patienten vor Ausbruch der MS eine EBV-Infektion hatten.
Das mögen minimale Abweichungen sein, wie sie eben bei Riesendatenmengen vorkommen, aber wenn man besonders kritisch ist, könnte man aus dem Ergebnis auch schließen, dass man eben doch nicht alle MS-Patienten mit EBV infiziert waren und zumindest einer nicht vor Ausbruch der MS infiziert wurde.

1. EBV ist häufig, aber MS ist selten!
Wie bereits gesagt, ist ein Haupteinwand, dass so viele Menschen mit dem EBV infiziert seien, aber nur so wenige an MS erkrankten: etwa 95% der Bevölkerung in Deutschland haben Antikörper gegen das EBV, aber nur 1-2 Promille haben MS.
Auch wenn andere Viren wie z.B. das Cytomegalie-Virus (CMV) auch häufig bei der MS gefunden werden, waren es doch nicht 99,88%! Aber so ganz überzeugen die Zahlen nicht, und das CMV bleibtweiter verdächtig.

2. Von 955 MS-Betroffenen wurden nur 801 untersucht.
Wie bereits erklärt, wurden nur die MS-Fälle berücksichtigt, die während der aktiven Militärzeit diagnostiziert wurden, und das waren 801 von 955.

3. Wenn von 801 Erkrankten nur 800 EBV-Antikörper hatten, heißt das nicht, dass man in Einzelfällen auch eine MS bekommen kann, ohne vorher mit EBV infiziert worden zu sein?
Bösartiger formuliert: Es hat doch nicht jeder, der MS hat auch EBV-Antikörper. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass es sein könnte, dass bei dem einen zwar eine MS diagnostiziert wurde, er aber keine MS hatte, sondern ein Krankheitsbild, das einer wirklichen MS täuschend ähnlich war.

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