Wadenbeißen? (Therapien)

W.W. @, Sonntag, 06.02.2022, 14:35 (vor 782 Tagen) @ naseweis

"offiziell mit der Pharma verbandelt?" oder nur mit finanzieller Unterstützung für die alltägliche Arbeit .... :-D ;-) :-P

ist nicht w.w. für eine ähnliche Aussage vor dem Kadi gelandet ??

Ich schrieb damals im Deutschen Ärzteblatt:

Therapie-Leitlinien für die Multiple Sklerose – cui bono?
Nachdem große Studien gezeigt haben, dass die sogenannten Immunmodulatoren, zu denen neben dem Copaxone® im Wesentlichen die Betainterferone zählen, die Zahl der Schübe und sowie neuer Herde bei der multiplen Sklerose (MS) um ein Drittel reduzieren, beträgt ihr Umsatz allein in Deutschland mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr. Gleichwohl beklagt der Ärztliche Beirat der Deutschen-Multiple-Sklerose-Gesellschaft (DMSG), dass diese Medikamente immer noch zu selten verordnet werden. Um dem entgegenzuwirken, hat der Beirat beschlossen, MS-Praxen und –Kliniken zu zertifizieren. Das Gütesiegel „Anerkanntes MS-Zentrum“ wird nur an Neurologen vergeben, die mindestens 400 MS-Patienten jährlich behandeln und sich strikt an die Therapie-Leitlinien der Multiple-Sklerose-Therapie-Konsensus-Gruppe (MSTKG) halten. Die MSTKG ist ein Zusammenschluss der ärztlichen Beiräte der deutschsprachigen MS-Gesellschaften und empfiehlt, alle MS-Betroffenen mit einer schubförmigen MS so früh wie möglich immunmodulatorisch zu behandeln. Die Zertifizierung soll Betroffenen eine Orientierung geben, wo sie die zur Zeit bestmögliche Beratung und Therapie erhalten können.


Kritiker der Bestrebungen fürchten jedoch, die MSTKG bzw. die DMSG lasse sich für die Interessen der Hersteller von MS-Medikamenten instrumentalisieren und entmündige sowohl die Neurologen als auch die MS-Betroffenen, indem sie ihnen ein ebenso starres wie ineffizientes Therapieregime oktroyiere.
Die Kosten für die Behandlung eines einzigen MS-Erkrankten mit Betainterferonen betragen immerhin 15.000 Euro pro Jahr. Tatsächlich springt die Wirksamkeit der Betainterferone Im Kontrast zu den hohen Kosten und im Gegensatz zu den begeisterten Berichten auf Kongressen und in Fachzeitschriften im grauen Praxisalltag nicht geradezu ins Auge. Die Schubzahl wird innerhalb von zwei Jahren von 0,82 Schüben bei unbehandelten auf 0,67 Schübe bei behandelten Patienten reduziert, das heißt, um 0,15 Schübe pro 2 Jahre. Die NNT (number needed to treat) errechnet sich als 1/0,15 = 7. Das heißt, man muss 7 Patienten über 2 Jahre mit Betainterferonen behandeln, um einen Schub zu verhindern. Die Kosten pro verhinderten Schub betragen 7x2x15.000 Euro = 210.000 Euro.
Was aber bringt das? Die MSTKG argumentiert so: Je weniger Schübe bzw. je weniger Herde bei einem Betroffenen auftreten, desto geringer wird der sich im Laufe der Jahre akkumulierende Langzeitschaden sein, und da die Produktionsrate von MS-Herden zu Beginn der Erkrankung besonders hoch ist, muss die Behandlung so früh wie möglich beginnen.
Leider besteht aber nur ein lockerer Zusammenhang zwischen Schub- bzw. Herdrate einerseits und dem Langzeitverlauf andererseits. Für aussagekräftigere Langzeitstudien fehlen jedoch Zeit und Geld. Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt an den Studien ist, dass die Nebenwirkungen der Betainterferone, die ja dreimal die Woche unter die Haut oder einmal pro Woche intramuskulär gespritzt werden müssen, so erheblich und augenfällig sind, dass eine Verblindung nicht möglich war, so dass Skeptiker von einem Riesenplaceboeffekt ausgehen.
Während die Wirksamkeit der Medikamente übertrieben dargestellt werden, werden die Nebenwirkungen von den Pharmafirmen und den Befürwortern dieser Behandlung in unverantwortlicher Weise heruntergespielt. Unter anderen handelt es sich um grippeähnliche Symptome mit Fieber, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit, die nach der Injektion auftreten, tagelang anhalten und die Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtigen können, und lokale Reaktionen an den Einstichstellen bis hin zu Nekrosen. Auch wenn über die Langzeitrisiken der Betainterferone noch nichts bekannt sein kann, gibt es ernsthafte theoretische Befürchtungen. Unter der Behandlung kommt es bei 20-40% der Patienten zu einer Antikörperbildung, die nicht nur zu einer Abschwächung der gespritzten, sondern auch der körpereigenen Betainterferone führt, die eine wichtige Rolle bei der Krebsabwehr spielen.


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