Die MS ist keine psychosomatische Krankheit! (3. Fassung) (Allgemeines)
Die MS ist keine psychosomatische Krankheit!
Es gibt eine gute Regel: Wenn sich jemand aufregt, dann hat er meistens einen guten Grund dafür! Wenn ich also behaupte, die MS sei eine psychosomatische Krankheit und jemand regt sich darüber auf, dann hat er zunächst einmal Recht. Das habe ich nicht immer gedacht und mich oft damit herausgeredet, die anderen hätten mich falsch verstanden, aber jetzt sehe ich das anders. Ich glaube also, dass es falsch ist, die MS als psychosomatische Krankheit zu sehen. ass ich anderen unterstellte, sie würden mich missverstehen, und dass es gar keinen Sinn hat, lange über Wörter zu streiten.
Was die Leute, die sich beleidigt fühlen, zu Recht sehen, ist Folgendes: Es gibt ‚richtige’ Krankheiten, die echt sind, und Krankheiten, die man sich nur einbildet oder anderen vorspielt, um einen Vorteil zu erreichen. Ich glaube, jeder erinnert sich an seine Schulzeit, und dass er einmal oder häufiger versucht hat, sich vor einer Arbeit, auf die man sich nicht genügend vorbereitet hatte, zu drücken, indem man vorgab, erkältet zu sein oder wahnsinnige Kopfschmerzen zu haben. Ich meine sogar, dass es Menschen gibt, die ihre Kopfschmerzen nicht nur vortäuschen, sondern sie sich so intensiv einbilden, dass sie sie wirklich haben. Auch in diesem Fall würde ich nicht von einer ‚richtigen’ Krankheit sprechen, sondern von etwas Unehrenhaftem.
Ich denke, genau so etwas ist gemeint, wenn man von einer ‚psychosomatischen Krankheit’ spricht: eine Krankheit, die überwiegend seelische Gründe hat und mit der man etwas erreichen will. Wenn man ein Wortklauber ist, kann man nun darauf bestehen, dass man unter ‚psychosomatisch’ versteht, dass Erkrankungen in mehr oder weniger großem Ausmaß seelische und körperliche Anteile haben, aber man versucht dann, einen gängigen Ausdruck auf eine intellektuell vielleicht zu rechtfertigende, aber dennoch verkrampfte Art durch einen ungebräuchlichen zu ersetzen.
Genau das sollte man nicht tun, und darum halte ich es für sinnvoll, die MS nicht als eine psychosomatische Krankheit zu bezeichnen. Ich glaube, jetzt können wir unbefangener darüber sprechen, dass die MS natürlich ein Gemisch aus seelischen und körperlichen Anteilen ist.
Rein psychische Krankheiten
Auch wenn sie recht selten sind, gibt es rein psychische Krankheiten. Ich persönlich habe eine Spinnenphobie, und diese ist eines der wenigen Beispiele für eine rein psychische Krankheit - und schon stocke ich, denn ist das wirklich eine wirkliche Krankheit? Ich glaube, es ist eher ein Tick, mit dem man leben kann. Ob man ihn mir austreiben sollte? Ich weiß es nicht. Vielleicht macht man damit mehr kaputt, als an rettet.
Gehen wir ein Stückchen weiter, dann sind wir bei der Zwangsneurose, wobei ich glaube, dass sie einen erheblichen somatischen Hintergrund hat. Und wie ist es mit den posttraumatischen Reaktionen? Oder mit den Angstneurosen nach Rauschmittelmissbrauch? Nach Haschisch, LSD, Crystal Meth oder Koks? Kommt das nicht etwas Psychisches zusammen mit etwas Somatischem? Und wie ist das mit den Depressionen? Hier scheint es ein breites Spektrum zu geben, das von Heimweh, Liebeskummer, und Weltschmerz bis hin zu dem reicht, was die Psychiater 'echte Depressionen' nennen oder im ICD unter 'Major depressions' geführt wird. Ich möchte kurz das erwähnen, was wir früher 'Erschöpfungsdepression' nannten und die heutzutage wohl oft mit SSRI behandelt wird, also Medikamenten, die in den Hirnstoffwechsel eingreifen. Letztendlich entsteht so ein Gemisch von sozialen, seelischen und pharmakogenen Faktoren.
Rein somatische Krankheiten
Das ist die eine Seite, die andere ist der somatische Pol. Das Musterbeispiel für eine rein somatische Krankheit scheint mir die Chorea Huntington zu sein, also eine dominant erbliche Krankheit, An zweiter Stelle möchte ich die amyotrophe Lateralsklerose (ALS), die Krankheit von Stephen Hawking nennen. Das lässt sich für mich noch leicht schreiben, aber dann kommen die Hirntumoren und im weiteren Sinn der Krebs.
Eine angebliche Erklärung findet sich immer!
Und wieder stocke ich, weil ich jemanden kenne, der in einer sehr belastenden Situation sein Glioblastom bekommen hat (seine Frau wurde von seinem besten Freund schwanger)und ich an Wolfgang Herrendorf denke. Und genau hier wird ein Problem deutlich: Wenn jemand krank geworden ist, und er erzählt uns seine Geschichte, dann neigt jeder von uns dazu, das Ganze wie einen Roman zu interpretieren, und so können die abstrusesten Mutmaßungen entstehen. Hinterher ist man immer schlauer, und es ist praktisch undenkbar, dass eine Krankheit entsteht, für die man im Nachhinein keine 'Erklärung' an den Haaren herbeiziehen kann!
... (Ende 1. Teil)
W.W.